Dienstag, 21. Februar 2012

Gemütslage

Nach der Kandidatur von Joachim Gauck

Wie hält es Joachim Gauck eigentlich mit der Integration, mit der Armut in Deutschland und wie oft ist er in der DDR gegen das System auf die Straße gegangen? Hans-Christian Ströbele (Grüne) verlangt von dem Kandidaten für das Bundespräsidentenamt sogar eine öffentliche Erklärung zu Hartz IV, zur Occupy-Bewegung und zum ehemaligen Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin. Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linken, erinnert an die Gründe, die 2010 zur Ablehnung von Joachim Gauck geführt hätten: "Bei unserem Gespräch mit ihm in der Fraktion, erklärte er, dass er für den Afghanistan-Krieg sei, Hartz IV begrüße und es richtig fände, dass unsere Partei vom Inlandsgeheimdienst überwacht wird. Inzwischen hat er auch die Occupy-Bewegung stark kritisiert."

Andererseits wird Joachim Gauck der Vorwurf gemacht, er habe nur ein Thema. Die Freiheit. Die Kritik der einen Seite hat also kaum eine Schnittmenge mit der Kritik der anderen Seite. Hat man außerdem in der Vergangenheit gelegentlich genau hingehört, dann wundert man sich darüber, dass so manches von dem Kandidaten Gesagte aus dem Zusammenhang gerissen wird. Beispiel: Gauck hat etwas gegen Visionen. Hat er meines Wissens aber nie gesagt. Als er nach Visionen gefragt wurde, antwortete er - und zwar mit einem Schmunzeln: Vorbehalte habe er da schon, wichtig seien auch handfeste Sachargumente.

Gibt es etwa ein grundsätzliches Problem? Haben wir uns inzwischen so sehr an Schablonen gewöhnt, dass wir vielschichtige Meinungsäußerungen gar nicht mehr begreifen? Sie also zerlegen müssen, damit sie in unsere Schubladen passen? Wer die Occupy-Bewegung albern findet, ist sofort Marionette der Finanzmärkte? Wer nicht in der DDR auf die Straße gegangen ist, ist ein verspäteter Bürgerrechtler?

Auf welcher Straße war denn Hans-Christian Ströbele, als ab 1985 die DDR ins Bröckeln geriet? Wie oft ist er in der DDR gewesen, wie oft traf er sich mit Kritikern des Systems und wie oft stand er mit ihnen vor der Kamera? Was für ihn als Bürger der Bundesrepublik Deutschland wesentlich einfacher gewesen wäre als für Joachim Gauck als DDR-Bürger...

Was erwarten die Kritiker eigentlich von einem Bundespräsidenten? Wenn er Diskussionsstoff liefern soll, hat Joachim Gauck das schon getan, bevor er ins Schloss Bellevue einzieht. Wenn er allen nach dem Mund reden soll, sollte ein Sprechautomat installiert werden. Wenn es Anlass zur Kritik gibt, sollte die auch begründet werden. Also, Herr Gysi, wie hat Joachim Gauck seinerzeit die Überwachung der Linken gerechtfertigt?

Die NDP, die Linke und die Piratenpartei spielen nun mit dem Gedanken, andere Kandidaten zu benennen. Bei der NPD kann man darauf getrost verzichten, bei der Piratenpartei wäre das wohl jemand, der uns als erstes sagt, dass nichts wissen nichts macht - und bei der Linken? Eine andere Bürgerrechtlerin, ein anderer Bürgerrechtler, der zudem auch noch an den Montagsdemonstrationen in der DDR teilgenommen hat und nun jeden Montag gegen Hartz IV auf die Straße geht?

Solch einen Politiker wird man schwerlich finden. Bleibt also Joachim Gauck, bei dem man durchaus gespannt darauf sein darf, wie er beispielsweise dem laut Gerhard Schröder "lupenreinen Demokraten" Putin beibringt, dass zur Freiheit keineswegs die Freiheit zu Wahlfälschungen gehört.

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