Donnerstag, 24. Juni 2010

DDR-Besuche III

13. Juni 2010
Bei DT 64 einen Preis gewonnen

Einiges ist in der DDR sehr übersichtlich gewesen. Die Speisekarten in Restaurants beispielsweise. Hatte man endlich einen Tisch erobert, bekam man irgendwann auch einen Überblick über die angeblichen festen und flüssigen Angebote, die aber schnell schrumpften, wenn die Bedienung erst angefangen hatte, das nicht Vorhandene aufzuzählen.

Übersichtlich waren auch die Rechnungen, die man anschließend begleichen musste. Die zwangsumgetauschte Währung der DDR auszugeben, war angesichts der niedrigen Preise schon fast ein Kunststück. Deswegen traten wir die Rückreise stets mit einem Koffer voller Bücher an.

In einer Buchhandlung von Karl-Marx-Stadt kaufte ich mir die ersten Krimis aus der Reihe "Delikte, Indizien, Ermittlungen", herausgegeben vom Verlag Das neue Berlin. Auch die waren spottbillig. Sie kosteten DDR 2,- M.

Während in Kurzgeschichten, die in der DDR geschrieben wurden, die Menschen fröhlich zur Arbeit fuhren, fröhlich arbeiteten und fröhlich den Feierabend genossen, schimmerte in den Kriminalromanen hin und wieder Gesellschaftskritik durch.

Nicht gewöhnungsbedürftig waren für uns dagegen die Preise im Intershop. Dort gab es Waren nur gegen Devisen, auf die man in der DDR dringend angewiesen war. Freie Sicht auf den Shop hatte in Karl-Marx-Stadt der Namensgeber dieser Stadt. Seine Büste stand auf der anderen Straßenseite.

"Wenn es regnet", sagte der Onkel meiner Frau, "sagen wir, Karl Marx weint, weil wir in unserem eigenen Staat nicht alles kaufen können."

Dennoch wären wir an einem 1. Mai beinahe mitmarschiert. Auf dem Weg vom Parkplatz zur Straße forderte uns eine Megaphonstimme auf: "Genossinnen, Genossen, reiht euch ein!" Der Ordner begriff erst nach einigen Minuten, dass er ein Ehepaar aus Hannover vor sich hatte, das mit Verwandten aus der DDR unterwegs war. Also erließ er uns die Teilnahme an der Demonstration.

Kult war in der DDR der Jugendsender DT 64. Erich Honecker allerdings mochte ihn nicht, 1965 sagte er: "Den Erscheinungen der amerikanischen Unmoral und Dekadenz wird nicht offen entgegengetreten. Das gilt besonders für den Bereich der heiteren Muse und der Unterhaltung, für einzelne literarische Arbeiten und leider auch für viele Sendungen im 'DT 64'. [...] Über eine lange Zeit hat 'DT 64' in seinem Musikprogramm einseitig die Beatmusik propagiert."


Diesen Sender hörte ich auch in Hannover. Auf dem Programm stand eines Sonntags eine Quizfrage, die ich auch dieses Mal schnell gelöst hatte. Ich schnappte mir das Telefon und wählte die Nummer von DT 64. Das Unglaubliche geschah, es meldete sich eine weibliche Stimme, die mich nach der Lösung fragte: "Genosse, kennst du die Antwort?"

"Dornröschen ist die Lösung", antwortete ich. Die weibliche Stimme freute sich: "Richtig. Du hast gewonnen. Ich brauche nur noch deine Adresse."

Nun wurde es schwierig.

"Ich wohne in Hannover."

"Hannover in der DDR? Kenne ich gar nicht."

"Nicht Hannover in der DDR. In Niedersachsen."

"Du rufst aus dem Westen an?"

"Ja."

"Dann können wir dir den Preis leider nicht schicken."

"Ich kenne eine Familie in Dittersdorf. Kann der Preis dorthin geschickt werden?"

"Das geht auch nicht. Die haben ja nicht gewonnen, sondern du."

Das sah ich ein und verzichtete auf den Preis.

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